Branding & Storytelling

Stories that stick – Geschichten sind echte biochemische Magie 

von Nicole Kruse  /  Donnerstag, 9. Oktober 2025

4 minuten

Wie Storytelling unsere Hormone triggert – und warum das in der Werbung Gold wert ist 

Ich sage es gleich vorweg: Wenn ich heute noch eine Anzeige sehe, die mir in den ersten drei Sekunden erklären will, warum ich etwas „unbedingt brauche“, bin ich raus. 
Wir leben in einer Welt, in der Konsument:innen von früh bis spät mit Botschaften überflutet werden – von Werbung, Marken, Content, Content über Content. 
Und trotzdem schaffen es einige wenige Kampagnen, dass wir innehalten. Dass wir fühlen. Dass wir hängenbleiben. 

Der Grund ist kein Zufall. Es ist Biochemie. 
Geschichten sprechen das an, was in uns Menschen tief verwurzelt ist: unsere neuronale und hormonelle Reaktion auf Bedeutung, Spannung, Empathie. 
Oxytocin, Dopamin, Endorphine – diese Stoffe entscheiden, ob eine Botschaft emotional ankommt oder einfach nur vorbeirauscht. 

Ich nenne das gerne: Storytelling als biochemisches Marketinginstrument. 

Was im Gehirn passiert, wenn wir Geschichten hören 

Oxytocin – das Hormon der Verbindung

Oxytocin ist das „Vertrauenshormon“. Es wird ausgeschüttet, wenn wir Nähe, Empathie oder Verbundenheit empfinden. 
In einer bekannten Studie erhielten Proband:innen Oxytocin oder ein Placebo, während sie emotionale Kurzfilme sahen. Das Ergebnis war eindeutig: Diejenigen mit Oxytocin spendeten danach mehr Geld und fühlten sich stärker mit den Menschen in der Geschichte verbunden. (Studie: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3584120/

Was heißt das für Marken? 
Wenn wir Geschichten erzählen, die nicht um Produkte, sondern um Menschen kreisen, um ihre Zweifel, Ängste, Hoffnungen, dann aktivieren wir genau diesen biologischen Mechanismus. Wir schaffen Nähe. Vertrauen. Bindung. 

Endorphine – der natürliche Feelgood-Booster

Endorphine sind körpereigene Glücksbotenstoffe. Sie senken Stress, machen uns empfänglicher und steigern das Wohlbefinden. Wann entstehen sie? Zum Beispiel, wenn wir lachen, überrascht werden oder einfach etwas Angenehmes erleben. 
In Storytelling übersetzt heißt das: Humor, kleine Brüche, Momente der Leichtigkeit oder Wärme aktivieren genau diese Reaktion. 

Eine gute Geschichte darf also auch mal schmunzeln lassen. Oder kurz irritieren. 
Denn genau das löst im Gehirn eine positive „Chemie“ aus, die wir mit der Marke verknüpfen. 

Dopamin & Cortisol – Spannung, Fokus, Erleichterung

Dopamin sorgt dafür, dass wir dranbleiben. Es wird ausgeschüttet, wenn wir etwas erwarten oder wenn Spannung aufgebaut wird. 
Darum lieben wir Cliffhanger. Darum hören wir Podcasts zu Ende, wenn die Erzählung uns mitzieht. 
Cortisol dagegen ist das Stresshormon, und ja, auch das ist wichtig. 
Interessanterweise kann gutes Storytelling Cortisol senken. In einer Studie mit hospitalisierten Kindern hat man nach dem Vorlesen von Geschichten weniger Stresshormone, mehr Oxytocin und sogar weniger Schmerzempfinden gemessen. 

Geschichten sind also buchstäblich Medizin für Kopf und Herz – und ein unschlagbares Werkzeug, wenn wir Aufmerksamkeit halten und gleichzeitig Vertrauen aufbauen wollen. 

Warum diese Prozesse für Marketing und Branding entscheidend sind

Hier wird’s praktisch: 
Wenn Geschichten diese biochemischen Reaktionen auslösen, dann hat das direkte Konsequenzen für Markenführung. 

1. Sie erzeugen echte emotionale Bindung

Vertrauen entsteht nicht durch ein Versprechen, sondern durch Resonanz. Wenn Menschen sich in einer Geschichte wiederfinden, schüttet ihr Gehirn Oxytocin aus – und das macht sie offener, verbundener, loyaler. 

2. Sie halten die Aufmerksamkeit länger

Dopamin sorgt für Fokus. Wenn eine Geschichte Spannung und Struktur hat, bleibt das Publikum dran – ganz ohne Zwang oder Clickbait.

3. Sie bauen Abwehr ab

Niemand will „beworben“ werden. Aber alle hören gern eine gute Geschichte. 
Wenn eine Marke es schafft, dass sich ihre Kommunikation nicht wie Werbung anfühlt, sondern wie eine authentische Erzählung, dann senkt das die innere Abwehrhaltung. 

4. Sie aktivieren Handlung

Emotionale Involvierung führt zu Aktion: Teilen, Empfehlen, Kaufen. 
Menschen handeln, wenn sie etwas fühlen. Punkt. 

Was gutes Storytelling leisten muss

Jetzt kommt der Teil, bei dem viele scheitern. Denn Storytelling ist nicht einfach „wir erzählen mal was“. Damit die biochemische Magie wirklich zündet, braucht es bestimmte Elemente: 

MerkmalWarum es wirkt
Charaktere mit TiefeOxytocin reagiert auf Empathie. Wenn man sich in jemanden hineinversetzen kann, funktioniert Bindung.
Konflikt, Risiko, SpannungOhne Reibung keine Aufmerksamkeit. Dopamin liebt Herausforderungen.
Emotion & soziale RelevanzGeschichten, die etwas Menschliches erzählen – über Angst, Liebe, Hoffnung, Zweifel – wirken auf einer tieferen Ebene.
Überraschung oder WendepunktUnser Gehirn liebt Unerwartetes. Es signalisiert: „Achtung, hier passiert etwas Neues.“
Ein runder AbschlussDie Belohnung. Das Gefühl von Sinn. Das lässt die Story positiv nachhallen.
Ton, Stimme, RhythmusWie erzählt wird, ist fast wichtiger als was erzählt wird. Ein ehrlicher Ton bleibt hängen.

Wie sich das in der Praxis umsetzen lässt

Wichtigster Punkt: Starte nicht mit deinem Produkt, sondern mit einem Menschen. 
Erzähl, was ihn bewegt, was ihn nervt, wovor er Angst hat. Und dann zeig, wie Veränderung möglich ist – nicht durch dein Produkt, sondern durch das, was es ermöglicht. 

Ein paar erprobte Prinzipien: 

  • Fang mit einem Moment an, nicht mit einem Slogan
  • Zeig Emotionen, nicht nur Argumente
  • Bau Spannung auf, auch in kurzen Formaten
  • Nutze Musik, Stimme, Pausen – sie wirken stärker als Text
  • Miss, was wirklich berührt – nicht nur, was geklickt wird

Und bitte: Bleib authentisch. Menschen spüren sofort, wenn etwas zu glatt oder kalkuliert ist. 

Die ethische Seite

Ja, Storytelling kann Menschen emotional bewegen. 
Aber es kann sie auch manipulieren – und das ist die Grenze, über die man als Marke sehr bewusst nachdenken sollte. 
Wenn du Geschichten nur nutzt, um kurzfristig Verhalten zu steuern, funktioniert das vielleicht einmal. Aber langfristig zerstört es Vertrauen. 

Die beste Geschichte ist die, die wahrhaftig ist. 
Sie darf dramaturgisch durchdacht sein, ja. Aber sie sollte aus einer echten Haltung kommen. Das ist der Unterschied zwischen einer Kampagne und einer Marke mit Charakter. 

Fazit

Geschichten sind kein nettes Beiwerk, sie sind das Fundament jeder starken Marke. 
Sie lösen biochemische Prozesse aus, die uns Menschen verbinden – diese Mechanismen sind kein Marketing-Trick, sondern zutiefst menschlich. 

Wer Storytelling versteht, erzählt nicht bloß eine Geschichte – er schafft Resonanz. 
Und Resonanz ist das, was in Zeiten von Reizüberflutung, Algorithmen und Ad Fatigue den Unterschied macht. 

Denn: Gute Geschichten verkaufen nicht. 
Sie berühren. Und das verkauft dann von ganz allein. 

Quellen:


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